Ein Gang entlang der niedrigen, an den Hang gelehnten Häuser in der St.-Jürgen-Straße vermittelt noch heute einen Eindruck, wie die hier einst zahlreich ansässigen Kapitäne, Steuerleute, Schiffbauer und Fischer mit ihren Familien in den vergangenen Jahrhunderten wohnten. Die Bebauung begann im 16. Jahrhundert, wobei die Häuser wegen des Hanggefälles einzeln auf Feldsteinsockel errichtet wurden. Zunächst wurde lediglich die obere Hangseite bebaut, von wo aus die Schiffer einen guten Überblick über das Geschehen im Hafen hatten oder die zurückgebliebenen Familien schon früh die sehnsüchtig erwarteten Fahrensleute beim Einlaufen in den Hafen erspähen konnten. Zahlreiche Querwege führen direkt von der St.-Jürgen-Straße zum Hafendamm hinab und verweisen bis heute auf die enge Verbindung zwischen beiden Lebensbereichen.
Der Weg vom Schiffsjungen, dem „Moses“, bis zum Kapitän war hart und mit vielen Herausforderungen verbunden. Das Seemannsleben begann noch im Kindesalter. Mit 11/12 Jahren gingen die Schiffsjungen zur ersten Fahrt an Bord, um schon früh einen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten. Sie kehrten im Herbst zurück, um im Winterhalbjahr die Schulbank zu drücken. Im Alter von 17/18 Jahren zum Matrosen aufgestiegen, bildeten sich manche während der folgenden Fahrensjahre in Navigation fort und legten zwischen 21 und 23 die Steuermannsprüfung ab. Ihre praktische Ausbildung erhielten sie als Steuermannsgehilfen auf den Überfahrten, die Theorie wurde in einer der zahlreichen privaten Navigationsschulen am Ort vermittelt. Diese wurden zumeist von „erfahrenen“ Schiffern betrieben. Der geschickte Umgang mit Lineal, Kursdreieck, Sextant und Tabellenwerken entschied oft genug über das Schicksal von Schiff und Besatzung. Die Flensburger Navigationsschulen erfreuten sich eines guten Rufes. 1864 erhielt der hiesige Navigationslehrer Jan Hinrich Cannich gar das Amt des Navigationsexaminators für das gesamte Herzogtum Schleswig übertragen. Nach weiteren Jahren gelang den Fähigsten unter den Steuerleuten schließlich der Aufstieg zum Kapitän, der für Schiff, Besatzung und Ladung verantwortlich war.
1781 lebten allein in St. Jürgen etwa 50 Steuerleute. Treffend trägt einer der in St. Jürgen zum Hafen hinabführenden Gänge heute den Namen Steuermannsgang.
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